Existiert Gott? Wenn ja, welche Beweise gibt es für Seine Existenz? Atheisten haben hierfür keine Beweise, Agnostiker finden die Frage irrelevant, und Theisten bejahen sie und versuchen, dies zu begründen. In diesem Blog wage ich den Versuch, nicht auf die Gottesfrage einzugehen, sondern die Gottesfrage an sich in Frage zu stellen. Denn wenn die Existenz Gottes ein Grundsatz und der Glaube an Gott natürlich veranlagt sind und der Mensch einen intrinsischen Anbetungsinstinkt aufweist, dann sollte die Frage eher lauten: Welche Beweise gibt es für Gottes Inexistenz?

Wenn Atheisten nach einem Gottesbeweis fragen, dann beinhaltet diese Frage eine versteckte Annahme. Für einen Atheisten ist der Mensch das Resultat eines physikalischen, chaotischen, sinnlosen, ziellosen, irrationalen, ungesteuerten Prozesses oder – mit den durchaus beängstigenden, aber konsistenten Worten von Francis Crick: „Die erstaunliche Hypothese ist, dass der Mensch, du, deine Gelüste, Sorgen, Erinnerungen, Ambitionen, Identität, dein freier Wille und dein Handeln nichts anderes als der Zusammenbau von Nervensystemen und deren Molekülen ist.“ [1] Wenn dem so ist, worauf gründet ein Atheist die Antwort auf die Gottesfrage, wenn sein Bewusstsein lediglich eine Ansammlung von sich ständig bewegenden Molekülen und Atomen ist? Woher hat er die Rationalität, um jeglichen Beweis zu falsifizieren oder verifizieren? Aus dieser strikt naturalistischen Perspektive sehen wir, dass ein Atheist diese essentiellen Dinge in Anspruch nimmt, ohne jegliche Grundlage dafür aufzuweisen.

Die Antwort, die man meist zu hören bekommt, lautet: Evolution! Scheint irgendwie die Lösung auf alle existentiellen Fragen zu sein. Obwohl die Evolution ein breitgefächerter Begriff ist und unterschiedliche Modelle der Mechanismen existieren, beziehen sich die meisten auf die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Abgesehen davon, dass Darwin die meiste Zeit seiner 73 Lebensjahre gottgläubig war [2], kamen auch ihm Zweifel, wie es denn sein könne, dass der rationale Menschenverstand seine Entwicklung durch unterentwickelte Tiere vollziehen konnte. In einem Brief an William Graham bekundete er Folgendes: „Doch dann steigt in mir der furchtbare Zweifel auf, ob die Überzeugungen des menschlichen Verstandes, der sich aus dem Verstand der niedrigeren Tiere entwickelt hat, von irgendeinem Wert oder überhaupt vertrauenswürdig sind. Würde jemand den Überzeugungen eines Affenverstandes trauen, wenn es in einem solchen Verstand denn überhaupt Überzeugungen gibt?“ [3] Er war sich im Klaren darüber, dass das Bewusstsein, die mentalen und kognitiven Fähigkeiten, die Anforderungen der Evolution übersteigen und ihren Ursprung nicht im Verstand von Tieren, wie beispielsweise Affen, haben können.

Was ist also ein Beweis für einen Atheisten? Es ist enorm wichtig, diese Gegenfrage zu beantworten, bevor man sich mit der Gottesfrage auseinandersetzt. Ich hatte in der Vergangenheit stets die Gewohnheit, auf die Beweisführung einzugehen, in der Hoffnung, mein Gegenüber würde meine Argumente akzeptieren. Doch durch die Erfahrungen in zahlreichen Gesprächen hat sich gezeigt, dass wenn ein Atheist nach einem Gottesbeweis fragt, er in der Regel nur einen unmittelbar wahrnehmbaren, physikalischen, materiellen und natürlichen Beweis als gültig ansieht. Somit führen alle Bemühungen um einen Gottesbeweis ins Leere, da versucht wird, ein Wesen zu beweisen, das metaphysisch, immateriell und übernatürlich ist. Daher ist es unumgänglich, die Frage zu beantworten, was für einen Atheisten ein Beweis ist.

Du musst beweisen, dass Gott existiert, nicht umgekehrt

Mir liegt es fern, rationale Argumente und Beweisführungen für Gott abzustreiten oder ihnen aus dem Weg zu gehen. Es gibt definitiv solide, rationale, deduktive sowie induktive Argumente für die Existenz Gottes. Mit diesem Zugang möchte ich vielmehr hinterfragen, worauf die Annahme beruht, dass etwas als Grundsatz gilt und aufgrund welcher Aspekte die Beweislast beim Theisten liegt. In einem Gespräch mit einem österreichischen Schriftsteller wurde dieser Punkt sehr deutlich. Er vertrat eine freigeistig-atheistische Weltanschauung und war ein negativer Atheist, also jemand, der aufgrund mangelnder Beweise für Gott diesen negierte: Du musst beweisen, dass Gott existiert, nicht umgekehrt. Wenn der Kläger im Gerichtsprozess den Angeklagten beschuldigt, dann liegt auch die Beweislast beim Kläger, der diese Behauptung aufstellt, sagte er. Hört sich schlüssig an und wäre auch eine plausible Analogie, wenn ich die Verpflichtung hätte, eine Behauptung aufzustellen. Die Existenz Gottes ist jedoch keine Behauptung, sondern eine selbstverständliche Wahrheit, ein Grundsatz, ein Axiom, ein Grundprinzip, worauf jede Behauptung fußt. Eine Wahrheit wie die Gleichförmigkeit der Natur, die Gesetze der Kausalität und der Logik, die Mathematik, die Existenz des Vergangenen, die Gültigkeit des Denkens und vieles mehr. [4] Niemand kann diese Grundprinzipien beweisen, aber sie zu leugnen, wäre ein Zirkelschluss.

Das Spaghettimonster

Was sind selbstverständliche Wahrheiten? Kann man selbstverständliche Wahrheiten nicht auf alles Mögliche beziehen? Nehmen wir das in sarkastischer Weise herangezogene Spaghettimonster als Beispiel. Für den Atheisten ist die selbstverständliche Wahrheit das Spaghettimonster, das Himmel und Erde und alles, was dazwischen ist, erschaffen hat. Eine selbstverständliche Wahrheit hat jedoch Bedingungen, die erfüllt werden müssen.

  1. Universell: Selbstverständliche Wahrheiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie universell und transkulturell sind. Sie transzendieren kulturelle Normen und sind kein Produkt einer spezifischen Kultur. Das Spaghettimonster ist genau das Gegenteil. Es ist eine Religionsparodie aus den Vereinigten Staaten.
  2. Ungelehrt: Sie benötigen keine Informationsübertragung. Sie benötigen keine externen Informationen, um mittels der Sinne erkannt zu werden. Im Falle eines Spaghettimonsters ist ein Informationsaustausch in Bezug auf die westliche Kultur, die italienische Küche und Ungeheuer notwendig.
  3. Natürlich: Sie sind in der natürlichen Disposition des Menschen verankert. Sie sind eine angeborene Tatsache, auf die ich im nächsten Abschnitt ausführlicher eingehen werde. Wie sieht es mit dem Spaghettimonster aus? Kein Kind kommt mit der natürlichen Veranlagung auf die Welt, an ein Spaghettimonster zu glauben, das Himmel und Erde erschaffen hat.
  4. Intuitiv: Sie müssen durch unkomplizierte Schlüsse intuitiv nachvollziehbar sein. Beim Spaghettimonster ist Wissen über unterschiedliche Aspekte erforderlich, das nicht intuitiv vorhanden ist.

Fitrah – Ist der Glaube an Gott natürlich veranlagt?

Das islamische Konzept der Fitrah ist die natürliche Veranlagung des Menschen. Er ist mit einer angeborenen Gotteserkenntnis und der Affinität zu Seiner Anbetung ausgestattet. Einige islamische Gelehrte schreiben auch grundlegende moralische Werte und Verpflichtungen der Fitrah zu. Über diese Fitrah informiert uns Gott im Qur’an: „So richte dein Angesicht in aufrichtiger Weise auf den Glauben; der natürlichen Veranlagung, mit der Allah die Menschen erschaffen hat“ (30:30). Dieser natürliche Glaube wird im Laufe des Lebens durch verschiedene Faktoren, wie Sozialisierung, Erziehung und Bildung oder den Freundeskreis beeinflusst, was zu einem von der natürlichen Veranlagung abweichenden Verhalten führen kann. Der Prophet Muhammad – Friede und Segen mit ihm – erklärte diese Einflüsse in einer authentischen Überlieferung folgendermaßen: „Jedes Kind wird im Zustand der Fitrah geboren, aber seine Eltern machen ihn zum Juden, Christen oder Sabäer …“ [5] Im Gegensatz zum christlichen Narrativ finden wir in der islamischen Tradition, dass jedes Kind mit dieser guten Natur, ohne angeborene Sünden, und mit einem gewissen Gottesbewusstsein die Welt erblickt. Gott sagt im Qur’an: „Wahrlich, Wir haben den Menschen in bester Form erschaffen“ (95:4).

Soziologischer Ansatz

Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass der Glaube an Gott, Götter, übernatürliche Wesen oder Mächte in jeder Gesellschaft gegeben war. Rituale, Zeremonien, Anbetungen wurden instinktiv umgesetzt, um dieses intrinsische Bedürfnis zu decken. Im Gegensatz dazu wird man kaum den Konsens einer vergangenen Gesellschaftsgruppe bestätigen können, welche die Existenz Gottes ablehnte. Eine atheistische Weltanschauung nahmen lediglich Individuen in Anspruch, und auch das erst nach der Aufklärung im Abendland. Hierbei kann jedoch selbst heute nicht von einem gesellschaftlichen Konsens die Rede sein.

Betrachten wir diese natürliche Veranlagung der Menschen im kommunistischen Russland, vor, während und nach der Revolution. Im russischen Kaiserreich waren die Menschen überwiegend gläubig. Durch den Kommunismus kam es zu einer ideologischen Revolution, die unter anderem das Ziel hatte, durch die Eliminierung aller Religionen den Atheismus als einzige Alternative anzubieten. Religiöse Menschen wurden verfolgt, Institutionen geschlossen. Kritik am Atheismus wurde verboten, religiöse Propagandisten verhaftet. Selbst in dieser für Gläubige schwierigen Zeit manifestierte sich jedoch der intrinsische Anbetungsinstinkt der Menschen, indem Tausende von Lenin-Statuen aufgestellt und verehrt wurden, als wäre er ein Gott. [6] Auch wenn dieser Akt der Verehrung aus islamischer Perspektive eine irregeleitete Anbetung ist, sehen wir, dass diese immensen Herausforderungen die natürliche Veranlagung der Menschen nicht davon abhielten, ihren Anbetungsinstinkt zu unterdrücken. Abu Zakariya, Verfasser mehrerer Bücher über vergleichende Religionswissenschaften, schreibt dazu Folgendes: „Wäre der Glaube an Gott nicht mehr als reine Ideologie, etwas, womit die Menschen seitens ihrer Eltern indoktriniert wurden, dann hätten die Bemühungen der kommunistischen Partei, die über mehrere Generationen hinweg ihren Einfluss zeigten, die religiösen Überzeugungen zur Gänze vernichten sollen. All diese Beweise führen zu einer Schlussfolgerung: Der Glaube an Gott wird nicht gelehrt, er existiert auf natürliche Weise in jedem Menschen.“ [7]

Psychologische Studien

In einer umfangreichen Studie an Kindern zwischen vier und acht Jahren aus verschiedenen Ländern und sieben verschiedenen religiösen und nicht-religiösen Elternhäusern stellte die Religionspsychologin Dr. Oliviera Petrovich fest, dass der Glaube an Gott bei Kleinkindern fest verankert ist und der Atheismus erlernt werden muss. [8] Der Atheismus ist also ein abweichendes Verhalten in der natürlichen Disposition des Menschen. Das zeigt, dass der Glaube an Gott ungelehrt auf natürliche Weise eine Entwicklung vollzieht.

Anthropologische Forschung

Der kognitive Neurowissenschaftler Dr. Justin Barrett führte eine Studie an Kleinkindern durch, in der er ihr Verhalten und ihre Aussagen erforschte und zu dem Schluss kam, dass Kleinkinder in ihrer natürlichen Disposition den Glauben an einen Schöpfer verinnerlichen. Professor Barrett ist wohlgemerkt kein gottgläubiger Mensch. In seinem Buch „Born Believers“ erwähnt er, dass Kleinkinder, ohne über einen Schöpfer oder religiöse Riten belehrt zu werden, an einen externen Erschaffer glauben: „Wer ist der Schöpfer? Kinder wissen, dass Menschen keine guten Kandidaten sind. Es muss ein Gott gewesen sein … Kinder sind geborene Gläubige – Anhänger einer Religion, die ich die natürliche Religion nenne …“ [9] Zudem erwähnt er in einem Interview ein hypothetisches Szenario, bei dem, wenn ein Dutzend Kinder ohne externe Informationsübertragung auf einer Insel aufwachsen würde, sie daran glauben würden, dass die Insel erschaffen wurde. [10]

Eine Erinnerung an den Glauben

Die Fitrah ist übrigens kein Argument. Sie ist, wie eingangs erwähnt, ein Grundsatz, der keines Beweises bedarf. Ob Allah, Brahma, Jehova oder Jesus der Anbetung würdig sind, ist eine Frage, die separat behandelt werden muss. Fakt ist jedoch, dass der Glaube an Gott natürlich veranlagt ist und der Mensch einen intrinsischen Anbetungsinstinkt hat. Aus der islamischen Tradition geht hervor, dass die gesamte Menschheit in einer Vorschöpfung die Existenz Gottes bezeugt hatte. Als Allah das Gelöbnis Adams annahm, sprach Er zu allen Menschen: „Bin Ich nicht euer Herr?“ Daraufhin antworteten wir: „Doch, wir bezeugen es. Dies ist so, damit ihr nicht am Tage der Auferstehung sprecht: ‚Siehe, wir wussten nichts davon‘“ (7:172). Mit diesem Zeugnis wurde die Fitrah in jeder menschlichen Seele erschaffen. Der eine oder andere wird den Einwand bringen, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne. Auch hierzu ist eine sehr weise Erzählung über Adam – Friede sei mit ihm – in der prophetischen Tradition nachzulesen. [10] Die Herausforderung in diesem Leben ist daher, durch verschiedene Wege diese Fitrah zu erwecken. Seien es rationale Argumente, Aussagen des Propheten Muhammad, Verse aus dem Qur’an oder zwischenmenschliche Erfahrungen mit Muslimen. All das können Gründe sein, wodurch Gott dich daran erinnert, dass allein Er das Recht hat, angebetet zu werden. Nicht weil Er unsere Anbetung für notwendig empfindet, sondern weil wir durch diese Anbetung Frieden im Herzen finden werden: „Es sind diejenigen, die glauben und deren Herzen im Gedenken Allahs Ruhe finden. Wahrlich, im Gedenken Allahs finden die Herzen Frieden.“ (13:28)

Die Antwort auf die Gottesfrage ist somit in jedem Menschen verankert. Die Ablenkungen und Verführungen des Lebens sind das, was die Sicht auf die Realität beeinträchtigt und somit die Fitrah vernebelt. Die Erinnerung an den Glauben durch das Entnebeln der Fitrah ist ein erster Schritt hin zur natürlichen Veranlagung, mit der Gott alle Menschen erschaffen hat. Somit ist die Frage nach Gott irrelevant. Wichtig ist vielmehr die Frage nach den emotionalen Gründen, die Menschen dazu führen, nicht an Gott glauben zu wollen.

 

REFERENZEN:

[1] Crick, Francis: The Astonishing Hypothesis – The Scientific Search for the Soul, o. O., Scribners, 1995, Seite 3.

[2] Darwin, Charles: The Autobiography of Charles Darwin, o. O., W. W. Norton & Company, 1993, Seite 92–93.

[3] To William Graham, 3. July 1881.

[4] Tzortzis, Hamza Andreas: The Divine Reality – God, Islam & the Mirage of Atheism, o. O., FB Publishing, 2016, Seite 65.

[5] Sahih Muslim, Hadith Nr. 6853.

[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Stalin%27s_cult_of_personality#cite_note-2

[7] Abu Zakariya: Die ewige Herausforderung. Eine Reise durch die Wunder des Qur’an, o. O., One Reason/Iman, 2016, Seite 20.

[8] https://www.theage.com.au/national/infants-have-natural-belief-in-god-20080725-3l3b.html

[9] Barrett, Justin L.: Born Believers – The Science of Children`s Belief, o. O., Atria Books, 2012, Seite 35–36.

[10] https://www.telegraph.co.uk/news/religion/3512686/Children-are-born-believers-in-God-academic-claims.html

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