Tief erschüttert und fassungslos über die tragischen Angriffe am 02.11.2020 auf die Zivilbevölkerung in Wien, verurteile ich diese Tat, die an Abscheulichkeit nicht zu übertreffen ist. Meine Anteilnahme gebührt den Verletzen, Hinterbliebenen sowie Familien und Verwandten der Opfer. Dieser perfide Angriff, der darauf abzielt, die soziale Kohäsion zu gefährden, ist kategorisch abzulehnen und entbehrt jeglicher islamischer Grundlage.

Kein Muslim sollte das Gefühl entwickeln für derartige Taten verantwortlich zu sein. Handlungen dieser Art stehen in völligem Widerspruch zu den Überzeugungen, Werten und Prinzipien des Islam und werden von Menschen verübt, die sich den Lehren des Islam sowie den Lehren des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – diametral entgegengesetzt haben.

Wofür wir zukünftig, mehr denn je, verantwortlich sind, ist es in den Dialog zu treten, Berührungspunkte zu schaffen und selbstbewusst diese diabolischen Angriffe aus den islamischen Primärquellen dekonstruieren und mit Empathie die wahre Natur der islamischen Werte artikulieren.

Folgend möchte ich anhand authentischen Primärquellen einen kleinen Einblick in die Lehren des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – verschaffen, mit der Hoffnung, dass für unsere Nichtmuslimischen Mitmenschen klar ersichtlich wird, dass jene perfiden Taten mit den islamischen Lehren unvereinbar sind.

Der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

BARMHERZIGKEIT UND MITGEFÜHL

„Der Barmherzige erbarmt sich derer, die selbst barmherzig sind. So seid barmherzig zu allem auf der Erde, auf dass derjenige, der über dem Himmel ist, sich eurer erbarmt.“ [1]

„Gott schaut nicht auf euren Körper oder eure äußere Erscheinung, sondern auf euer Herz und eure Taten.“ [2]

„Möge Gott sich eines Mannes erbarmen, der freundlich ist, wenn er etwas kauft, wenn er etwas verkauft, und wenn er eine Zahlung einfordert.“ [3]

„Wer sich satt isst, während sein Nachbar hungrig ist, ist kein Gläubiger.“ [4]

SICHERHEIT UND SCHUTZ

„Wer einem Schutzbefohlenen Schaden zufügt oder ihn über Gebühr belastet, gegen den werde ich am Tag der Abrechnung aussagen.“ [5]
„Wer einen Nichtmuslim verletzt, der unter Schutz steht, verletzt mich.“ [6]

Der Jurist al-Qarafi (1228–1285) erklärt die oben genannten Überlieferungen, wie folgt: „Der Schutzbund erlegt uns bestimmte Verpflichtungen gegenüber Nichtmuslimen auf, die unter muslimischem Schutz stehen. Sie sind unsere Nachbarn, die aufgrund der Garantie Gottes, Seines Gesandten und der Religion des Islams unter unserem Schutz stehen. Wer gegen diese Verpflichtungen gegenüber einem von ihnen verstößt, indem er auch nur ein beleidigendes Wort gebraucht, seinen Ruf verleumdet, ihm Schaden zufügt oder dabei hilft, hat die Garantie Gottes, Seines Gesandten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – und der Religion des Islams verletzt.“ [7]

In Angesichts des oben Erwähnten ist es kein Wunder, dass der Qur’an den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – als „[…] Barmherzigkeit für die Weltenbewohner“ [8] bezeichnet.

LIEBE

„Bei dem, in dessen Hand meine Seele ist, ihr werdet nicht ins Paradies kommen, ehe ihr nicht glaubt. Und ihr werdet nicht glauben, ehe ihr einander nicht liebt. Soll ich euch etwas zeigen, was dafür sorgt, dass ihr einander liebt, wenn ihr es tut? Verbreitet den Friedensgruß untereinander.“ [9]

„Der Diener Gottes ist nicht wirklich gläubig, ehe er anderen nicht das gleiche an Gutem wünscht wie sich selbst.“ [10]

„Wünscht den Menschen das Gleiche wie euch selbst, und ihr seid Gläubige. Seid gut zu euren Nachbarn, und ihr seid Muslime.“ [11]

„Keiner von euch ist [wahrhaft] gläubig, ehe er nicht für andere Menschen das liebt, was er für sich selbst liebt.“ [12]

„Wenn jemand seinen Bruder liebt, sollte er ihm das sagen.“ [13]

„Liebt für die Menschen, was ihr für euch selbst liebt.“ [14]

„Nach dem Glauben an Gott ist die beste Tat wohlwollende Liebe zu den Menschen.“ [15]

GEMEINSCHAFT

„Der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – wurde gefragt: „Welche Handlungen sind im Islam gut?“ Der Gesandte Gottes antwortete: „Andere zu speisen und zu grüßen, wen du kennst und wen du nicht kennst.“ [16]

„Wer Dinge erfindet oder Gutes spricht, um einen Streit zwischen zwei Menschen zu schlichten, ist kein Lügner.“ [17]

„Wer den Menschen nicht dankt, dankt Gott nicht.“ [18]

„Alle Menschen stammen von Adam und Eva ab. Ein Araber ist nicht besser als ein Nichtaraber, und ein Nichtaraber ist nicht besser als ein Araber; ein Weißer ist nicht besser als ein Schwarzer, und ein Schwarzer ist nicht besser als ein Weißer, außer durch Frömmigkeit und gute Taten.“ 463„Wenn ein Muslim einen Baum pflanzt oder etwas aussät und dann Menschen, Vögel oder andere Tiere davon essen, so gilt dies für ihn als Spende (sadaqa).“ [19]

NÄCHSTENLIEBE UND MENSCHLICHKEIT

„Gott hat gesagt: ‚Gebt aus [für wohltätige Zwecke], und Ich werde für euch ausgeben.“ [20]

„Zu spenden verringert das Vermögen nicht.“ [21]

„Besucht die Kranken, speist die Hungrigen und befreit die Gefangenen [Sklaven].“ [22]

„Macht es [den Menschen] leicht und nicht schwer, überbringt [den Menschen] frohe Botschaft und schreckt sie nicht ab.“ [23]

„Gib dem Arbeiter seinen Lohn, bevor sein Schweiß getrocknet ist.“ [24]

„Jede gute Tat ist eine Spende.“ [25]

„Die besten Gläubigen sind die mit dem besten Charakter, und die Besten von euch sind diejenigen, die am besten zu ihren Frauen sind.“ [26]

„Grollt einander nicht und durchtrennt die Verwandtschaftsbande nicht, seid einander nicht feind, sondern seid Brüder und Diener Gottes.“ [27]

Wer wahrhaft an Gott und den Jüngsten Tag glaubt, soll Gutes sprechen oder schweigen.“ [28]

Der Beste von euch ist der mit dem besten Benehmen.“ [29]

UMWELT UND TIERE

Wenn die Stunde [der Jüngste Tag] kurz bevorsteht und einer von euch einen Setzling in der Hand hält, soll er ihn pflanzen.“ [30]

Wenn ein Muslim einen Baum pflanzt oder etwas aussät und dann Menschen, Vögel oder andere Tiere davon essen, so gilt dies für ihn als Spende (sadaqa).“ [31]

Schädliche Dinge aus dem Weg zu räumen gilt als Spende.“ [32]

Die Gefährten fragten den Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden: „O Gesandter Gottes! Bekommen wir Lohn dafür, wenn wir Tieren Gutes tun? „Er antwortete: „Für alles, was man anderen Lebewesen an Gutem tut, gibt es Lohn.“ [33]

Wer ohne guten Grund einen Spatz oder etwas Größeres tötet, wird am Jüngsten Tag von Gott dafür zur Rechenschaft gezogen werden.“ [34]

Einmal sah eine Prostituierte an einem heißen Tag einen Hund um einen Brunnen herumlaufen. Seine Zunge hing ihm vor lauter Durst aus dem Maul. Sie zog in ihrem Schuh etwas Wasser für ihn hoch, und dafür vergab Gott ihr ihre Sünden.“ [35]

ERSCHEINUNGSBILD UND ZUGÄNGLICHKEIT

Die Gefährten des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – berichten über sein Erscheinungsbild: ‘Abdallah ibn al-Harith sagte: „Ich habe nie jemanden gesehen, der mehr lächelte als der Gesandte Gottes – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden.“ [36]

Al-Bara’ibn ‘Azib berichtete: „Der Gesandte Gottes – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sah unter allen Menschen am besten aus und hatte das schönste Erscheinungsbild.“ [37]

Jabir ibn Samura berichtete: „Ich sah den Gesandten Gottes – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – einmal nachts im hellen Mondlicht; er trug ein rotes Gewand. Ich betrachtete ihn und den Mond. Für mich war er schöner als der Mond.“ [38]

Ali ibn Abi Talib berichtete: „Wer ihn plötzlich sah, empfand Ehrfurcht vor ihm, und seine Bekannten liebten ihn. Diejenigen, die ihn beschrieben, sagten, dass sie weder vorher noch nachher jemanden wie ihn gesehen hatten.“ [39]

DEMUT UND BESCHEIDENHEIT

Als der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – einmal einen Mann vor Furcht zittern sah, als er ihm begegnete, sagte er zu ihm: „Beruhige dich, ich bin kein König! Ich bin der Sohn einer Frau von den Quraisch [ein arabischer Stamm], die getrocknetes Fleisch aß.“ [40]

„Aischa – möge Allah mit ihr zufrieden sein –, die Frau des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – wurde gefragt, was der Gesandte Gottes zu Hause tat. Sie sagte: „Er war wie alle anderen Menschen, er reinigte seine Kleidung und besserte sie aus, er melkte die Ziege, flickte seine Schuhe und kümmerte sich um seine Angelegenheiten und die seiner Familie, bis er den Gebetsruf hörte. Dann ging er hinaus [um in der Moschee zu beten].“ [41]

Der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – war bescheiden, als er sagte: „Ich bin nur ein Mensch wie ihr. Ich neige genau wie ihr zur Vergesslichkeit.“ [42]

KOEXISTENZ VON RELIGIONEN

Zu einer Zeit, als Religionsfreiheit weitgehend unbekannt war, schuf der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – eine Gesellschaft, in der niemand gezwungen wurde, zum Islam zu konvertieren. Zwangskonvertierungen sind im Islam strikt untersagt, aufgrund des folgenden Qur’an-Verses:

„Es gibt keinen Zwang im Glauben. (Der Weg der) Besonnenheit ist nunmehr klar unterschieden von (dem der) Verirrung. […]“ [43]

Michael Bonner, Experte für die Frühgeschichte des Islams, erklärt die Auswirkungen des genannten Verses: „Zunächst einmal gab es keine Zwangskonversionen, keine Wahl zwischen ‚Islam oder Schwert‘. Das islamische Gesetz folgte einem eindeutigen Prinzip des Qur’an (2:256) und verbot derlei Dinge. Dhimmis [Nichtmuslime unter muslimischem Schutz] musste es gestattet werden, ihre Religion zu praktizieren.“ [44]

„Umar ibn al-Khattab, ein Gefährte und Schüler des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – garantierte den Christen in Palästina Religionsfreiheit, Sicherheit und Frieden. In seinem Vertrag mit den palästinensischen Christen heißt es: „Dies ist der Schutz, den der Diener Gottes, der Führer der Gläubigen, dem Volk von Palästina garantiert. Der Schutz gilt für ihr Leben, ihr Eigentum, ihre Kirche, ihr Kreuz, für die Gesunden und Kranken und für alle ihre Glaubensgenossen. Ihre Kirchen sollen weder in Wohnhäuser umgewandelt noch abgerissen werden, noch soll ihnen oder ihren Klausen oder ihrem Kreuz irgendein Schaden zugefügt werden, noch soll irgendetwas von ihrem Vermögen abgezogen werden. Sie dürfen in ihren religiösen Zeremonien nicht eingeschränkt werden.“ [45]

Im Jahr 869 n. Chr. bestätigte Theodosius, der Patriarch von Jerusalem, dass die Muslime sich an die Werte ihres geliebten Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – hielten: „Die Sarazenen [das heißt, die Muslime] sind uns gegenüber sehr wohlwollend. Sie gestatten es uns, unsere Kirchen zu bauen und unsere eigenen Bräuche ungehindert auszuüben.“ [46]

KONKLUSION

Der wesentliche Grund dafür, dass Muslime in der Lage waren, solche gerechten, toleranten und mitfühlenden Gesellschaften zu erreichen, war, dass die Bekräftigung der Einheit Gottes und die Freude und Verehrung Gottes die spirituelle und moralische Grundlage ihres Lebens war. Dies bot eine zeitlose, universelle und objektive moralische Grundlage.

Ich hoffe, dass dieser kurze Zugang in die Werte der islamischen Ethik, zeigen, wie die Handlungen, die einigen muslimischen Gruppen zugeschrieben werden, nicht mit dem normativen Islam in Einklang stehen. Ich hoffe, dass diese kurze Einführung dazu beitragen wird, eine ausgewogenere Sichtweise dessen zu fördern, was die Lehren des Islam sind und was nicht.

REFERENZEN:

[1] Überliefert bei Abu Dawud und at-Tirmidhi.
[2] Überliefert bei Muslim.
[3] Überliefert bei al-Bukhari.
[4] Überliefert bei al-Bukhari und Muslim.
[5] Überliefert von Yahya ibn Adam in Kitab al-kharaj.
[6] Überliefert von at-Tabarani in al-Mu‘jam al-ausat.
[7] Al-Qarafi, A. (1998): Al-Furuq. Bd. 3. 1. Ausgabe. Hrsg.: Khalil al-Mansur.
[8] Sure 21, Vers 107.
[9] Überliefert bei Muslim.
[10] Überliefert bei Ibn Hibban.
[11] Überliefert bei Ibn Majah.
[12] Überliefert bei Ahmad.
[13] Überliefert bei Abu Dawud und at-Tirmidhi.
[14] Überliefert in al-Bukhari: At-Tarikh al-kabir.
[15] Überliefert bei at-Tabarani.
[16] Überliefert bei al-Bukhari.
[17] Überliefert bei al-Bukhari.
[18] Überliefert bei Ahmad und at-Tirmidhi.
[19] Überliefert bei al-Bukhari.
[20] Überliefert bei al-Bukhari.
[21] Überliefert bei Muslim.
[22] Überliefert bei al-Bukhari.
[23] Überliefert bei al-Bukhari.
[24] Überliefert bei Ibn Majah.
[25] Überliefert bei Muslim.
[26] Überliefert bei at-Tirmidhi.
[27] Überliefert bei Muslim.
[28] Überliefert bei Muslim.
[29] Überliefert bei al-Bukhari.
[30] Überliefert bei al-Bukhari.
[31] Überliefert bei al-Bukhari.
[32] Überliefert bei al-Bukhari und Muslim.
[33] Überliefert bei al-Bukhari.
[34] Überliefert bei an-Nasa’i.
[35] Überliefert bei Muslim.
[36] Überliefert bei at-Tirmidhi.
[37] Überliefert bei at-Tirmidhi.
[38] Überliefert bei at-Tirmidhi.
[39] Überliefert bei at-Tirmidhi.
[40] Überliefert bei Ibn Majah und al-Hakim.
[41] Überliefert bei al-Bukhari, Muslim und Ahmad.
[42] Überliefert bei al-Bukhari und Muslim.
[43] Sure 2, Vers 256.
[44] Bonner, M. (2006): Jihad in Islamic History. Princeton: Princeton University Press, S. 89–90.
[45] At-Tabari, M. S. (1967): Tarikh at-Tabari: Tarikh ar-rusul wa l-muluk. Hrsg.: Muhammad Ibrahim. Bd. 3. 3. Auflage. Kairo, Dar al-Ma‘arif, S. 609. Online verfügbar unter: https://bit.ly/3crN9Qv [Zugriff am 1. Oktober 2016].
[46] Zitiert in Walker, C. J. (2005): Islam and the West: A Dissonant Harmony of Civilisations. Gloucester: Sutton Publishing, S. 17.

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